31 – Einunddreißig

Achtung – dieser Fortsetzungsroman ist keine gute-Nacht-Geschichte. Achtung, nur für Erwachsene. (Informationen zu „Elphenbein“ unter
www.pies-gestalten.de/ueber-elphenbein/ )

Kapitel 31 – Einunddreißig

Ich weiß nicht, wann es mir das letzte Mal so beschissen ging.

Der Zug rumpelt durch die Landschaft, und mir ist schlecht, ich muss es richtig niederkämpfen, die Strecke kommt mir ewig vor.
Seit dem Zusammenstoß mit dem Radfahrer habe ich die Zeit vergessen, vielleicht ist das erst vor ein paar Minuten passiert, oder letzte Woche, ich kann mich kaum konzentrieren.

Strommasten ziehen draußen am Fenster vorbei, zum Glück ist der Zug fast leer, aber dadurch versinkt alles noch mehr im surrealistischen.
Das Handy verrät mir die Uhrzeit, sechzehnuhrdreißig, und es klingelt auf einmal, oh, es klingelt, ich bin überrumpelt und beinahe schockiert, und das Ding vibriert weiter fröhlich vor sich hin.

Es ist Helia, sie muss zweimal nachfragen, ob ich auch wirklich rangegangen bin, hab vergessen beim Abheben was zu sagen. („… Ellis?“- )
– „Hallo, ja, ich bin dran. Was für ein Tag ist heute?“ – es ist die erste und warscheinlich dümmste Frage, die mir einfällt. Aber immerhin, besser als „Warum rufst du mich an?“ oder „was wollt ihr alle von mir?“.

Helia antwortet, es trifft mich abrupter als gedacht, als sie sagt, dass heute Montag ist. Eine Sekunde lang scheint der Zug unter mir nach unten wegzusacken, ich schwebe in der Luft, mein Magen dreht eine extrarunde und drückt mich dann mit Wucht zurück in den Sitz.

Montag, etwas läuft hier nicht nach Plan. Ich befinde mich in der S-Bahn, auf dem Weg nach Hause, wo es eine interfamiliäre Zusammenkunft beim Abendessen geben wird – aber das war am Samstag.
Langsam dämmert es mir, dass mein äußerst befremdliches Aufwachen heute Morgen und die daraus entstandenen Fragen nach einer umfangreicheren Antwort schreien, als ich aktuell in meinem Kopf aufnehmen kann.
Das Handy an meinem Ohr übermittelt mir Helias Atmen, das macht mich kirre, sie hat noch nichts weiter gesagt, also durchbreche ich die Stille:
„Kannst du mir sagen, was ich das ganze Wochenende gemacht habe? Wo sind wir gewesen, bevor -“
Helia unterbricht mich, „Ellis, du warst im Krankenhaus“, sagt sie, und dann ist nichts mehr zu hören, alles wird dunkel, durch das angekippte Fenster schreien die Schienen im Tunnel, es kreischt und ich warte, bis der Schaffner das Licht in den Wägen einschaltet, doch nichts geschieht.
Die Schwärze umhüllt mich, aber die Verbindung auf dem Handy besteht noch, und dann rollt der Zug zurück ins Tageslicht.

„….WAS????“, brülle ich, und höre sie am anderen Ende der Leitung schluchzen.

„Hey -“ meine Stimme klingt hilflos, ich verstumme, aber dann fällt der Groschen.

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