Abnormalypse ist ein transmediales Straßentheaterstück.
Eine Varietékünstlerin auf einem Pferd wird zur Apokalyptischen Reiterin und beschwört in Anwesenheit der Zuschauer den Weltuntergang .
Aus dem Ankündigungstext:
“Die Apokalypse” – übersetzt: der Schleier wird gelüftet. Dies ist das kompromisslose Solo-Musical der ehemaligen Artistin Barbara Schund. Der Untergang ihres Standes hat sie gelehrt, die Welt in Frage zu stellen. Es wird ihr allerletzter Auftritt sein und zugleich die einzige Vorstellung von einer Show mit unumgänglichem Ausgang. Barbara feiert die Apokalypse, um ihre Welt aus den Angeln zu heben - und die der Zuschauer gleich mit. Dieses Stück ändert das Verhältnis von Darsteller und Publikum und macht „Theater“ als eine gemeinsame Reise ins Ungewisse erfahrbar.
Wie es dazu kam
Abnormalypse entstand 2013 als Studien-Abschlussprüfung.
Aus der Idee geboren, sich mit der Abschlussarbeit vor einem neuen und unvorbereiteten Publikum zu präsentieren, wurde das komplett selbst zu erfindende Abschlussstück als Straßentheater konzipiert.
Das war technisch von großer Bedeutung: Es würde keinerlei Einführung, kein Bühnenlicht und kaum Ton zur Verfügung stehen, auch keine Kostümwechsel.
Nicht einmal eine Einführung vorab oder Zeitsprünge in der Handlung oder gar Szenenwechsel waren möglich –
Die Geschichte musste sich „am Stück“ ereignen. Sie sollte außerdem bei möglichst vielen Leuten direkte Assoziationen hervorrufen können:
Straßentheater, also kurz zuschauen und direkt „mittendrin“ sein.
Am Anfang gab es nur ein Steckenpferd – die erste Figur.
Die Lust, damit wild auf dem Marktplatz herum zu reiten,
wurde zur zündenden Idee:
Eine Apokalyptischen Reiterin in der Fußgängerzone!
Zum Ende der Welt und den gnadenlosen Reitern gab es gerade zuhauf (Computer-)Spiele und Filme, und in der bildenden Kunst war dieses Thema ohnehin vertreten.
Also schnell die verschiedenen Mythologien studiert…
…. und dabei heraus gefunden, dass wichtigen Bestandteile des religiösen Weltunterganges nicht für ein Solo-Theater taugten:
Krieg als Belohnung, Wiederauferstehung und letzte Schlacht, hier im Video mal veranschaulicht:
Das waren keine Themen für eine einzige Spielerin. Die Suche nach verwertbarem Material rund um das Ende der Welt ging weiter.
Ein Gang in die Stadtbibliothek förderte Bücher über Voodoo-Praktiken und die Weltanschauung von ehemaligen Sklaven
auf Haiiti zutage. Darin fanden sich allerhand fantasievolle Schilderungen:
Von der Manifestation der Geister in menschlichen Körpern, über die Vorstellung, von Göttern geritten zu werden wie ein Pferd;
Vor Allem der verschwurbelte Mix des Voodoos mit dem Christentum, den die Menschen auf Haiti noch heute praktizieren, um ihrer alten Religion trotz der aufgezwungenen neuen Staatsreligion nachgehen zu können, beflügelten den Erfindergeist.
Die Inspiration zu einer ganz eigenen Weltanschauung, nur für die Charaktere des Theaters, war gezündet.
Das Stück bekam seine eigene Mythologie.
Vollkommen klar war, dass eine Geschichte vom Weltuntergang erst mit der Beteiligung des Publikums wirklich spannend werden würde.
Nicht nur gucken, sondern mitfiebern – Und dabei im Hinterkopf stets den Satz :
„wie wäre das, wenn morgen alles vorbei wäre?“
Die Idee vom öffentlichen Ritual kam auf.
Die Suche nach Requisiten, die man vom Pferd aus bedienen konnte und die mythologisch verklärbar waren, begann.
Damit die Passanten aufgeschlossen sein würden,
mussten sie ausserdem durch schöne Bilder verführt werden.
Dies war der Schlüssel zum 2. Charakter des Stückes.
Die Protagonistin, die Reiterin Barbara, konnte verführen.
Fräulein Barbara Schund, ehemalige Vatietekünstlerin, charmant aber durchgeknallt. Sie wurde mit einer traurigen Lebensgeschichte ausstaffiert und bei ihrer Erfindung nachhaltig dahingehend geprägt, den Weltuntergang herbeizuwünschen .
Sie war es, die im Stück das apokalyptische Ritual herbeiführen wollte, Barbara war die Initiatorin der Geschichte.
Außerdem konnte Sie genialerweise die Realitätsverschiebung der Zuschauer herbeiführen: Als pseudo-reale Figur konnte Barbara sich auch schon im Vorfeld an das potentielle Publikum wenden.
Mit Ansichtskarten, Videobotschaften und anderen modernen Nachrichten, machte Barbara Schund bereits vor der Premiere von sich Reden. Es waren Botschaften, welche an der Authentizität der Abnormalypse mitwirkten.
Als schwierigsterTeil des Stückes stellte sich zum Ende hin die Umsetzung des Rituals heraus:
Mitten in der Stadt, mit einfachsten Mitteln machbar, religiös möglichst unverfänglich.
Ein Ablauf, welcher sich mit der erfundenen Mythologie rechtfertigen ließ, und der genug Spielraum bot, um ihn mit der Beteiligung von unterschiedlichsten Zuschauern durchführen zu können.
Und es blieben noch zwei Ideen, die in das Stück integriert wurden: Erstens die mögliche Beteiligung von weiteren Spielern, und zweitens ein offenes Ende des Stückes mit einem Flashmob.
„Abnormalypse“ wurde im Oktober 2013 mit freundlicher Genehmigung der Stadt auf dem Marktplatz in Stuttgart uraufgeführt.
Seither gab es erst zwei Mal die Möglichkeit, das Stück genehmigt zu spielen.
Wegen der katastrophalen Attentate in den vergangenen Monaten wird es vermutlich noch dauern, bis es wieder Zeit ist für eine Straßentheater-Auseinandersetzung mit dem Weltuntergang.
Hier aus dem Mitschnitt vom Marktplatz in Stuttgart