Männliche Gestalten

Foto.

Wie sieht ein Mann aus?

Wenn ich mir einen Mann vorstelle – zum Beispiel für eine Rolle, – und an seine Eigenschaften denke, mir dann vor dem inneren Auge sein Aussehen zusammenreime –
Dann bewegt sich diese Person. Ich sehe kein Foto. Eigentlich sehe ich noch nicht mal ein Gesicht. Irgendwann bekomme ich eine Idee, doch bleibt die Festlegung optional.
Das Gesicht ändert sich wieder. Es gelingt mir nicht, diesen fiktiven Mann besser kennen zu lernen, indem ich sein Gesicht betrachte und versuche, seine mir schon bekannten Eigenheiten darin zu entdecken.

Wenn ich mir eine Frau vorstelle, ersinne ich ihren Körper. Ihre Bewegungen. Ihre Attitüde.
Und dann kommt irgendwann der Punkt, an dem ich mir aus dem Internet ein Foto auswähle. Ich betrachte das Bild einer Frau und verknüpfe all meine Überlegungen mit ihrem Gesicht.
Ich speichere das Foto. Vor meinem inneren Auge ist es gegenwärtig, manchmal öffne ich dennoch die Datei. Dann blicke ich in dieses Gesicht, und es vermag mir eine neue Eigenheit zu meiner erdachten Person zu verraten.

Wie ist diese Person auf dem Foto? Hier ist die Frage für mich speziell, denn das bin ich selbst.  Foto: PiesGestalten
Wie ist diese Person auf dem Foto? Hier ist die Frage für mich speziell, denn das bin ich selbst. Foto: PiesGestalten

Ich spiele gerne Männer.
Sie sind mir nah, denn ich möchte sie verstehen und wenn ich sie spiele, möchte ich, dass sie verstanden werden. Aus meinen Büchern springen mir detailreich beschriebene, männliche Individuen entgegen, die um Verständnis ringen. Natürlich handelt es sich dabei nie um ganze Personen, sondern um stilisierte. Jedoch möchte ich, beispielsweise, die ganze Person eines Freundes fotografieren können und auf dem Foto einige seiner Eigenheiten in stilisierter Form festgehalten finden.

Doch es gelingt mir nie, ihn abzubilden.

Auch all diese Männer, deren Geschichten ich gelesen habe und deren Gedanken ich gehört habe, fiktive wie reale Männer, sie entziehen sich mir, sobald ich sie sehe.
Fast möchte ich glauben, es sei ganz egal, wie ein Mann aussieht, seine Körperlichkeit habe nichts mit seinem Innersten zu tun.
Doch wie kann das sein?

Darf das sein? Ist das natürlich?
Vielleicht scheint es praktisch, wenn Körper und Geist voneinander unabhängig sind.
Es scheint so verlockend, nicht hinter die Fassade schauen zu können. Da ist viel Platz für Projektionen, viel Platz zu entdecken, was man finden möchte.
Es scheint ebenso verlockend, dass niemand sehen kann, was wirklich in einem vorgeht.
Dann nämlich besteht die Möglichkeit, an einem Tag Kind zu sein und am nächsten Tag ein Tyrann, und niemand, der nicht dabei war, ahnt etwas! Haha, unendliche Vielseitigkeit!
Pokerface.
Es gibt keine Notwendigkeit, sich festzulegen, wie man ist, die Frage lässt sich einfach mit:
………………….„ganz normal“ ……………………..beantworten.

Ganz normal.

Bei normalen Menschen ist davon auszugehen, dass Handlungen einen nachvollziehbaren Grund haben. Einen simplen Grund, der leicht mitgeteilt werden kann, wenn man das gerade möchte, und der ansonsten nicht ausgesprochen werden muss.
Denn es ist doch stets offensichtlich.
Der Mann, das nicht vordefinierte Individuum! – so weit, so ideal.

Dieser Mensch sollte in seiner Gänze anerkannt werden, wie er ist.
Man sollte ihn ansehen und sagen können: Ja, du bist einer, der….

…………der von denen…hm… denen ich überhaupt nicht weiß, weil…………weil man von außen nicht sieht, wer……….wer und wie…….es in diesem Kopf…… ……du sieht aus wie irgendjemand.

Aber das sagt natürlich keiner.
Über Männer wird gesagt: „Ich finde, der sollte was Langärmeliges tragen, wenn er so dünn ist.“ „Ich will den untenrum gar nicht anfassen, wenn er nicht hart ist. Das ist irgendwie eklig.“ So wie der rumläuft, ist der schwul.“

Mehr davon?

Ein großer Krater klafft meiner Meinung nach zwischen der männlichen Selbstverständlichkeit und der Akzeptanz von Männerkörpern. Um den Mangel an Zweitem zu vertuschen, werden zunehmend männliche Figuren propagiert (z.b. in der Unterhaltungsindustrie) deren Körper so überproportional trainiert, deren Stimmen so wohlklingend sind und deren Körperhygiene so auf ihre Stimmung angepasst ist, dass sie noch als „Selbstverständlich“ durchgehen.
Dieser normale Mann sieht im Vergleicht zu einem natürlich entwickelten Körper männlichen Geschlechts aus wie eine gemästete Pute, die von klein auf in einer Ninjaschule trainiert wurde und deren Attitüde darauf hindeutet, dass sie lebenslang eine Brille trägt, die den ungläubigen Blick anderer Menschen in gastfreundliche Anerkennung verwandelt.

Allen anderen Männern ist es vorbehalten, zumindest so zu tun, als seien sie normal.
Leider gibt es dafür keinen Beweis, der rückversichert. Und wenn es Kampagnen gibt, die jeden Mann als normal bestärken, dann wahrscheinlich ohne Bild.
Leider begegneten mir schon häufiger Männer, die es schwierig fanden, sich angesichts der normalen Erwartungshaltungen an männliche Körperlichkeit als individuelle Person zu positionieren. Die Anerkennung für ihr Äußeres fehlt.

Warum gibt es so wenig Aktfotos vom „Typ von Nebenan“ ?

Wie geht ein anerkennender Blick auf seinen Körper? …..wie geht dieser Blick, wenn es keine speziellen „Anerkennungsmerkmale“, quasi Gadgets gibt, die sein Wesen näher definieren (gestählte Muskeln, schickes Tattoo, besondere Frisur, lässige Mütze, Schmuck. Festivalarmband… don’t forget: es geht um nackte Männer.)?
Wie sieht denn, beispielsweise, ein „netter Typ“ aus, wenn er nichts an hat?
Ich kann es nicht mit „na, einfach nett!“ beantworten, und ich glaube, das geht noch mehr Menschen so. Und ich glaube, dass es dadurch Einigen erschwert wird, sich in ihrer Haut wohl zu fühlen.
Männer sind die Spezies mit Upgrades, Gadgets, definiert durch ihr soziales Umfeld.
Sprich: wenn der Kerl undefinierbar aussieht und seinen Mund nicht aufmacht, wird er übersehen.
Ich finde nicht, dass man es sich leisten sollte, Personen zu übersehen oder ihnen den Stempel „uninteressant“ aufzudrücken, nur weil man gerade nicht die Möglichkeit hat, sie näher kennen zu lernen und weil die Person nicht zuzuordnen ist.

Gründe gibt es viele….. Das ist ungerecht…..Männer sind schön ……..würden sie nicht auch mit einer aggressiven Grundhaltung durch Menschenmengen laufen, wenn sie wissen, dass sie als uninteressant abgestempelt werden……wenn andere einen nicht wahrnehmen, wie steht es dann mit der Selbstwahrnehmung………..einfallsreiche Männer müssen sich mit einfallsloser Mode tarnen……
……..die Liste lässt sich mit unterschiedlichster Gesinnung fortsetzen. Was ich damit argumentieren möchte:

Es lohnt sich, Aktfotografie mit Männern voranzutreiben.

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