2 – Elphenbein

Achtung – dieser Fortsetzungsroman ist keine gute-Nacht-Geschichte. Achtung, nur für Erwachsene. Informationen zu „Elphenbein“ mit *klick* aufs Bild (Foto: Pies Gestalten)Foto: Pies Gestalten

Kapitel 2 – ZWEI

Blick in den Flur. Die Luft ist rein, wenn man das so nennen kann. Eigentlich steht sie wie ein großer leerer schwarzer Klotz vor mir, die Dunkelheit fließt einem geradezu in die Augen. Könnte unter Umständen daran liegen, dass das Fenster links neben mir schwarz angemalt ist – falls es sich um ein tatsächliches Fenster handelt. Vielleicht ist es auch nur eine Attrappe, die von den Bewohnern dieser WG an die Wand dekoriert wurde. Was nicht auszuschließen ist. Meine Augen gewöhnen sich an das Dunkel. Ich sehe mich um.

Postkarten, Zeitungsausschnitte, Poster, hier hat sich jemand verdammt Mühe gegeben, jeden einzelnen Flecken zuzukleistern. Und dadurch diesen Flur in etwas zu verwandeln, das so düster aussieht wie das Klo auf nem Punkkonzert. Immerhin, im Dunkeln kann mich niemand sehen, wie ich hier nackig rumhüpfe. Falls überhaupt jemand da ist. Ich muss meine Klamotten finden – und den Mitbewohner.
Ich probiere die Tür rechts neben mir aus. Küche. Leer. Das Zimmer dahinter ist dunkel. Gefließt. Und ich höre die Waschmaschiene laufen. Also ist alles darin befindliche erstmal nass und unbrauchbar. Helia, du dumme Kuh!

Vom Flur gehen noch drei weitere Türen ab. Eine hinten rechts. Eine von mir aus gesehen geradeaus. Eine links. Alle verschlossen. Ich entscheide mich für die Mittlere.
Ich klopfe. Ich warte darauf, dass jemand aufmacht und im Türrahmen steht und nehme den Klopfarm auch sofort wieder über die Brust; ich könnte ihn auch tiefer halten und dadurch mehr verdecken, aber ich glaube das sieht scheiße aus und ich will locker wirken. Keiner kommt. Niemand da?
Ja? – Stimme hinter der Tür.

Ich muss da selber rein, drücke die Klinke und bin im Zimmer.
Der Kerl, Mitte 20, am Tisch vorm Laptop, hat sich in Erwartungshaltung zur Tür gedreht. Sieht mich von oben bis unten, und dreht mir dann den Rücken zu; Hände wieder auf die Tastatur.
Hi.
Mein Mund ist trocken. Hallo.
Du bist Elli, nich, Heliane hats mir erzählt, warte kurz ich such dir was raus.
Hey ja em danke tut mir leid ist echt voll nett–
Da nimm.
Er ist während meinem Satz aufgestanden, hat einen fertigen Stapel vom Boden genommen, drückt ihn mir in die Hände und bleibt vor mir stehen. Ich sehe ein Tshirt ne Baggy nen Kapu…
Fehlt was?
Nein Danke ich glaub ich hab alles echt lieb von dir. Boah, war das gestern heftig… Ich lächle.
Er antwortet nicht.
Ich leg den Stapel auf den Boden und behalte das Shirt in der hand; erstmal was überziehen hier.
Hau ab!
Was? Ich lasse das Shirt im Knien wieder fallen.
Geh raus. Für die Klamotten kannst dich bei Helia bedanken, aber ich werd mich nicht länger als nötig mit dir abgeben.

Mein Mund klappt auf und wieder zu, ich bin erstmal baff.
Ja soll ich dir jetzt noch beim anziehen zuschauen oder wie; was meinst du warum ich hier so dumm rumstehe man mädel ich hab ne webcam an meinst du ich will das irgendwer sieht dass ich hier ne Frau im Zimmer rumfahren hab?
Danke dass du hier noch so rumhampelst, er rennt zum Laptop , Ich hab ja auch nicht vielleicht ne Freundin die vielleicht online ist und das bestimmt superinteressant findet dass da Miss Wasserstoff im Hintergrund rumspringt. Im Ernst hey, ich hab keine Ahnung warum ich hier schon wieder so scheiß freundlich bin…

Er tippt irgendwas, ich höre, wie er sich aus skype raushaut, sehe wie er den laptop zuknallt, scheiße, vielleicht sollte ich gehen, der Typ ist möglicherweise nicht mehr ganz sauber, sei nie mit Agrotypen allein ruft mein heute etwas vom runterkommen paranoider teufel auf der rechten schulter und der Engel pisst sich links schon in die hose, ach ja scheiße hose ichmussmirwasanziehen und dann verpiss verpiss schnellweg…

… und warum Helia mich zu jemandem der so mit ihr umgeht auch noch nett sein lässt!
Zu spät. Er packt mich an den Schultern, zieht mich ins Zimmer; ich knalle gegen den Hochbettpfosten. Ich kann ihm nicht in die Eier treten. Man kann seinem gegenüber nicht in die Eier treten, wenn es einen mit dem, wo die Eier dranhängen, gegen ein hochbett drückt.

Madame, ich sags nur einmal: Ich kann dich zwar nicht dazu bringen, dich von ihr fernzuhalten; ich kann dich aber aus dem Fenster schmeißen wenn mir nochmal sowas zu Ohren kommt, und glaub mir, das meine ich nicht im Spaß. Und jetzt mach dich weg aus dieser Wohnung.
Er lässt mich los, setzt sich wieder an den Tisch und ich witsche raus.
Tür zu!

Hätte ich sowieso gemacht. Tür zu, den scheiß an und raus hier. Ich hab zum Glück nix rumliegen. Schlüssel, Handy, alles zu Hause, ich bin mir fast sicher. Vom Hausflur aus sehe ich noch die andere Seite des schwarz bemalten Fensters. Ich kann nur den Kopf schütteln. So sollte echt kein Tag anfangen.

Draußen ist strahlender Sonnenschein, als ich in die Fußgängerzone gehe, die Eiscaféstühle beiseite– und mir die Kapuze über den Kopf ziehe. Der Himmel ist blau, kaum Wolken, eigentlich wunderschön, aber ich brauche den Schatten von meinem Kapuzenrand, damit ich mir das ansehen kann ohne beim drunter durch laufen von dem ganzen Himmelblau erdrückt zu werden.

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