Achtung – dieser Fortsetzungsroman ist keine gute-Nacht-Geschichte. Achtung, nur für Erwachsene. Informationen zu „Elphenbein“ mit *klick* aufs Bild im Text. (Foto: Pies Gestalten)
Kapitel 20 – Zwanzig
Sie atmet. gepresst. Sie starrt.
Um ihr Blickfeld hat sich ein schwarzer Kranz gebildet, ein Tunnel, der im Kopf beginnt und noch kein Ende hat.
Dann bemerkt sie das Telefon in ihrer Rechten. Sie öffnet ihre Hand und lässt das Handy auf den Boden fallen, ohne hinzusehen.
Ein hörbarer Aufschlag, aber es knackt nicht. Helia tastet mit dem Fuß danach, sie will zutreten, aber es liegt außer Reichweite.
Auf dem Rücken; es leuchtet. Offenbar hat der Schlag es nicht beschädigt.
Sie überlegt, aufzustehen und das Handy nochmal zu werfen, lässt es aber sein. Sie kann gerade nicht Handeln.
Was wäre wenn?
Was wäre… Sie muss weinen. Sie kann nicht denken. Doch, Heliane, denk nach, DENK! Wenn sie sich in drei Monaten testen lässt, weiß sie Bescheid.
OH GOTT, DREI Monate… denk anders. Denk auf einem anderen Weg.
Was kann man in den drei Monaten machen? -In ihrem Brustkorb will sich etwas aufbäumen und schreien. Ganze drei Monate lang, wenn du nichts tust, werden sich die Viren in deinem Körper vermehren.
Das Etwas brüllt vor Empörung und trommelt von innen gegen die Lungenflügel. ABER SIE KANN DOCH NICHTS TUN! Sie schluchzt.
Die drei Monate, in denen du wartest auf dein Ergebnis, die wirst du dann nicht mehr brauchen können, wenn du erfährst, dass du positiv bist. Die waren dann umsonst… Sie möchte aufhören zu denken,
sie verdrängt alle Rufe in ihrem Kopf, und weint…
…Und lässt sich nach vorne sinken, sie kriecht vom Stuhl und unter den Tisch; OH GOTT, sie kauert sich dort zusammen.
-Hilfe
…was wird jetzt?
Was passiert? was wäre wenn….
…Hilfe …
…
Nach einer halben Stunde ist es vorbei.
Die Fragen haben sich entfernt – so oft gestellt, bis sie in ihrem Kopf nur noch als kryptische Gebilde widerhallten, die wenig mit ihr zu tun haben. Heliane sitzt zitternd unter ihrem Tisch. Sie ist erschöpft, aber die Verzweiflung ist von ihr abgefallen.
Erstaunlich, wie kraftvoll wir manchmal im Geiste sind, wenn es keine Antworten gibt. Helia kraxelt unter dem Tisch hervor.
Sie erledigt, was sie vorher angefangen hat: Sie räumt auf.
Planung und Konzentration.
Links eine Schachtel für die Perlen, nach rechts die Samen, Eintüten, Gummi drum. Die Kostüme aus dem großen Korb fallen klirrend, klingelnd und klappernd zu Boden, wie viel Arbeit das Alles war, Glöckchen annähen, Ritterwappen aufsprühen, und „natürlich Madame, Handarbeit“, und „Nein, die genaue Zusammensetzung kann ich ihnen nicht mehr sagen, aber nehmen sie doch die Hose, das ist hautverträgliche Baumwolle…“ Der Haufen Durcheinander wird größer, Helia faltet, macht ständig neue Stapel, so viele verschiedene Sachen.
In einer Schublade findet sie alte Knete, sie schleift die große schwarze Regentonne vom Eingang heran, alles Müll, und die Zettel auch, die Postkarten muss sie einzeln durchsehen, aber die Tonne füllt sich, einiges holt Helia wieder heraus, sortiert es ein,
fünf Minuten später schmeißt sie doch das ganze Sortiment weg.
– Nur… eine Möglichkeit, es herauszufinden….
…Es versucht haben, wenigstens…, scheißegal, wie die Diagnose dann ausfällt, oder eher: Wenn sie kommt, die Diagnose, nicht untätig dastehen. Noch ein letztes Mal auf den Markt, und dann raus. Mietvertrag kündigen, Zeitungen kaufen, Bewerbungen schreiben, und, wenn es überhaupt nicht anders geht – zum Arbeitsamt.
Sie macht Platz, schiebt alles umstehende zur Seite, und kippt die große Mülltonne wieder aus, kniet im Haufen und sucht das meiste, was sie gerade erst weggeschmissen hat, wieder heraus, vielleicht kann man damit noch irgendwem….
„Biste unter die Wühlmäuse gegangen?“
Plötzlich steht Erika im Raum, sie guckt, die Tür pendelt hinter ihr noch aus, whop, whop, whop, ein schwungvoller Auftritt.
Erika strahlt, schließlich bremst sie die letzten Schwingungen
mit der Hand.
Schweigen. Helia weiß nicht, ob sie sich gestört oder ertappt fühlen soll.
„Verkaufste neuerdings auch andrer Leute Müll“, sie kommt näher und schaut sich belustigt um, „also wenn du da noch was brauchst, ich hätt da auch noch…“
– „Ich mach meinen Platz fertig.“ Helia steht auf.
Erika stutzt. „Wie meinstn das?“
„Ich meine, ich geb das hier alles auf und gehe arbeiten.“