Achtung – dieser Fortsetzungsroman ist keine gute-Nacht-Geschichte. Achtung, nur für Erwachsene. (Informationen zu „Elphenbein“ unter
www.pies-gestalten.de/ueber-elphenbein/ )
Kapitel 43 – Dreiundvierzig
Sie saßen auf dem Sofa in gemütlichem Licht, kifften und tranken Woddem, den Simba aus dem Kühlschrank gegraben hatte.
Der Abspann des Films hatte eine schöne Musik, also ließen sie ihn laufen und redeten.
Elli hing schwer in den Polstern und hielt das Glas mit beiden Händen auf ihrem Schoß. Sie mochte es, die Eiswürfel im Glas leise klackern zu lassen, und wenn der äußere Frostfilm an den warmen Händen kondensierte. Irgendwann bemerkte sie, dass kein Ton mehr aus den Boxen kam.
„Simb, gib mir mal die Fernbedienung.“ Sie streckte die Hand aus.
Er tat nichts und blieb lässig in seiner Ecke sitzen. „Ich kann nicht.“
-„Und warum?“
-„Weil du näher dran sitzt, Ellischatz.“
Sie stöhnte, streckte den Arm noch ein wenig weiter, aber da
war nichts zu machen. Resigniert ließ sie sich vom Sofa plumpsen und robbte auf dem Rücken das kurze Stück bis zu dem wackligen Tischchen. Mit einem uneleganten Grabscher ergriff sie die „Macht“ und begann, fachmännisch darauf herumzudrücken.
„Ey, da ist ja keine einzige Beschriftung mehr drauf!“ Sie ließ die Fernbedienung sinken. „Was schauen wir überhaupt als nächstes?“
Simba stand leichtfüßig auf und stieg über Ellis Beine, nicht ohne ihr einen belustigten Blick zu zuwerfen. „Ich würde mal sagen, als nächstes gibtsn bisschen was zum wach werden! Lass mal sehen…“
Er öffnete eine Schublade an der altmodischen Schrankwand und nahm eine kleine Tüte mit mehreren Tabletten heraus. „Ich habe noch fünf Äpfel und zwei Marienkäfer, wobei ich die Äpfel für später aufheben würde.“ Er angelte mit einem Finger in der Tüte und holte zwei runde, rosane Pillen hervor. Elli richtete sich auf und blickte hoffnungsvoll in seine Richtung.
„Du kannst einen von den Marienkäfern haben“, sagte er und legte ihn in ihre Handfläche. Die Prägung auf der Oberseite was schlampig und schlecht zu erkennen, es hätte ebenso gut eine rosa Kellerassel sein können.
„Haben Marienkäfer nicht bekanntermaßen Punkte?“, witzelte Elli und suchte mit den Augen nach einem Glas, in das sie etwas Anderes als Whisky füllen konnte.
„Ich glaube -„, sagte Simba und schluckte seine Pille herunter, „wenn sie eines Tages schwarze Punkte drauf haben, dann möchte ich nicht wissen, was der Farbstoff ist. Prost.“
Es war gegen drei Uhr fünfundvierzig, als Sascha vom Sofa aufstand und seinen Pullover anzog, um sich auf den Weg zu machen.
Elli war trotz des Ecstasys eingeschlafen und lag friedlich schlummernd auf dem Sofa. Einen kurzen Moment überlegte er,
sie aufzuwecken, entschied sich dann aber dagegen.
War es sein Problem, wenn sie den DJ verpasste?
Er löschte das Licht, nahm seinen Rucksack und sah noch einmal zurück in die Wohnung. – Nein, sicher war es besser, wenn sie von selbst erwachte.
Er zog die Tür ins Schloss und stapfte nach draußen in die milde,
laue Sommernacht.
Die ganze Straße lag verlassen vor ihm. Dass keiner mehr unterwegs war, und die Dunkelheit hinter den Fenstern: Das gab ihm ein Gefühl von Freiheit.
Es war nicht so sehr der Gedanke, unbeobachtet zu sein. Offensichtlich führte in dieser Straße jeder ein genügend vernünftiges, vielleicht sinnerfülltes Leben.
In dem er, Simba himself, nur dann eine Bedeutung einnehmen würde, wenn er es so wollte. Die Entscheidung zur Initiative lag bei ihm, und bei jedem noch so willkürlichen Ergreifen dieser würde er Neues entdecken, er würde neue Begegnungen haben,
ein unbeschrittener Weg könnte sich eröffnen, bereit für seine Neugier.
Und ebenso gut konnte er sich dem verweigern.
Er lief mit federnden Schritten. Im Rucksack trug Sascha alles
bei sich, was er für solch ein spontanes Leben zu benötigen glaubte.
Da war eine Jacke, die seine schmale Silhouette breiter erscheinen ließ. Ein Handtuch, denn man konnte nie wissen,
welche Möglichkeiten der Tag mit sich brachte und von wo man das nächste mal die Sonne aufgehen sehen würde. Eine größere Menge Kondome, aus demselben Grund, aber vor allem, um sie an Freundinnen zu verschenken.
Simba betrachtete es als Selbstverständlichkeit, auf die Menschen in seiner Umgebung ein wenig Acht zu geben. Es zahlte sich aus, auf die ein oder andere Weise.
Er blieb stehen und tastete nach dem Tütchen in der Außentasche.
Seine Hand griff ins Leere; er musste es zu Hause gelassen haben. Wahrscheinlich war es noch auf dem kleinen Glastisch in der Ecke, wo er es hingelegt hatte, um es nicht zu vergessen.
Nachdenklich sah er die Straße entlang.
Dann breitete sich ein Lächeln über sein Gesicht.
Für ihn gab es keinen Zweifel daran, dass alle Dinge aus einem bestimmten Grund passierten. Es war unwichtig, wenn man ihn selten erraten konnte. Er setzte seinen Weg fort.