no comment

/ mit Kolja Birk

Foto: Kolja Birk

Ich sehe einen Raum und ich sehe einen Ort, wo ich schon einmal war. Ich sehe, ein wenig später, ein Problem, dass ich schon länger habe.
Der Raum und der Ort; Was ich sehe, hat nichts damit zu tun. Ich war auch nicht wirklich dort. Es sah nur so ähnlich aus. Genug für eine Erinnerung. Und während ich mich wehre gegen dieses erste Wiedererkennen in den Bildern und versuche, einen anderen Blick zu bekommen (eine neue Chance für einen Weg in Gedanken), da tritt das Problem wenig später hinter einer Ecke hervor.

„Willkommen, Problem. Ich konnte dich bisher nicht sehen, zwar habe ich dich gesucht, aber mein Weg führte hier nicht vorbei.“

Das Problem sagt, „willkommen, nimm doch die Bilder und lass dich inspirieren. Vielleicht helfen sie dir, mich zu begreifen. (Mich zu lösen, ja, aber wir wollen nicht voreilig sein.)“

„Okgut“, sage ich.
Die Bilder also. Sie lösen keine guten Erinnerungen aus. Oder nicht nur. Sie schmerzen jedenfalls, und weder die Bilder noch die Orte darauf noch die wo ich tatsächlich war können etwas dafür. Andere Kontexte, besondere Situationen, Menschen in komplexen Rahmen können etwas dafür. Menschen halt. Ja.
das Problem sieht mich an. (Mitfühlend?)

„Ich kann nicht für mich stehen“, sage ich.

„Doch, das kannst du schon“, sagt das Problem. „Stehen kannst du sehr gut. Alles, was mit dem Körper geht, wie zum Beispiel stehen, gehen, hantieren, liegen, tan…“ (-Ja, ist ja gut, denke ich.) „Genau“, sagt das Problem. „Du denkst in Klammern. Du kannst nicht für dich sprechen. Das ist dein Problem. – Das bin ich, also. Fällt es dir leichter, über mich nachzudenken, nun, da du mich personifiziert hast“, sagt das Problem und dreht sich im Kreis und zugleich nehme ich die Perspektive des Betrachters ein und drehe das Problem von aussen.

„Mhmvielleicht“, murmele ich, „warte, ich möchte erst schauen ob ich dich wirklich gut getroffen habe oder ob ich schon wieder abgeschwiffen bin, wegen dem formulieren“.

„Ich könnte mich noch einmal grob umreißen, so wie du es vorhin in Gedanken getan hast“, sagt das Problem. (Und im gleichen Moment verschwimmt es vor meinen Augen. Mist, denke ich, diese Sprache. Diese verdammte Sprache, die nichts klarer macht, weil sie immer nur eine von zig Möglichkeiten ist etwas auszudrücken. Und in dem Moment, wo die Formulierung fällt, hat man sich eingeschränkt.) „Du verlierst mich gerade“, sagt das Problem.
JA VERDAMMT!

„Also“, säuselt es schüchtern, „also: Deine körperliche emotionale Intelligenz ist viel größer als deine geistigen Gefühle. Erstens. Zweitens, du schaffst es einfach nicht, dich festzulegen. Du kannst deine ganz private Meinung nicht mitteilen, du kannst dich noch nicht einmal vor dir selbst einigen. Drittens: Alles, was du bisher an diesem Punkt erreicht hast, ist, der hohlen Verwischung Ironie zu entkommen und stattdessen zu sagen: „Das finde ich gut!“ – für sehr einfache Dinge. Gegenstände. Wetter. Essen. Du bist, Pause, ein alltäglicher Primat, wenn es darum geht, zu definieren, was du möchtest.
Du bist überflexibel.
Du kennst zu viele Möglichkeiten.
Und:“
(Viertens, sage ich.) – „ ja viertens, -übrigens, analysieren kannst du sehr gut- viertens traust du dich nicht nur nicht, anderen gegenüber klare Aussagen zu treffen, sondern deine geistigen Gefühle sind dir so wenig bewusst, so wenig wichtig, so leicht durch auferlegte Zwänge zu überschreiben, dass dir nicht mal klar ist, wie es dir in einer Situation geht.
Erkennst du mich jetzt“, sagt das Problem. „Hat es dir geholfen, mich mit Worten zu fixieren?“

„Ja“, sage ich, „aber es hat weh getan“.
„Das gleiche Gefühl, wie in den Situationen an den Orten, für die die Bilder Stellvertreter sind“? – „weiß ich nicht“, sage ich. „Ich weiß nicht, was ich gefühlt habe. Ich kann die Situation analysieren und sagen, was daran nicht passend erschien, und dass es mir nicht gut ging.“

-„Hast du nicht neulich“, gibt das Problem zu bedenken, „sowohl dir selber als auch anderen gegenüber verkündet, „dann tut es eben weh“, als du einen neuen Weg beschritten hast?“

„Ja“ sage ich, und rufe: „Das ist doch auch verdammt noch mal ein Teil von dir!!! Welcher normale Mensch würde sagen, dann tut es halt weh, und den Schmerz leichtfertig in Kauf nehmen nur um weiter zu kommen und wieder ein Stück freier zu sein!“

„Du bist nicht frei“, sagt das Problem leise, und es klingt gefährlich. „Und dabei wollte ich gerade zunächst sagen, du bist nicht normal, aber ich habe mich umentschieden: du bist sehr normal. Denn der wahre, eigentliche Grund für deine Festlegungsscheu, die so weit reicht, dass vermutlich nur dein Unterbewusstsein noch einen kommunizierbaren Kompass deiner Gefühle besitzt, liegt darin begründet, dass du gefallen willst. Du kennst viele verschiedene Menschenwege und Arten zu leben und du wärst frei, wenn du dich für eine Weile entscheiden würdest. Aber du hast Angst, dass dir jemand begegnet, den deine Entscheidung abstößt. Oder ein Statement. Jemand, der es wert wäre, nicht abgestoßen zu werden. Und das sieht man keinem an, so viel hast du mittlerweile vermeintlich gelernt“ …. es kichert.
„War das fünftens“, sage ich.
„Ja.
Aber es gibt noch etwas“, spricht das Problem weiter ohne dass ich es darum gebeten habe, „denn der grund, dass dir offenbar jede potenzielle Begegnung so wichtig ist, dass du deine Worte nicht vor dir hertragen kannst, könnte sein, dass du sehr einsam bist. Meinst du nicht?“ „Ich weiss nicht“, sage ich, „das geht mir zu weit.“

„Hahahahaha“ macht das Problem, „zu WEIT! Ich bin ein Teil von dir und gehe zu weit!!! Du, du schwache, unsichere Person, die ihre Meinung nicht äußern kann, weil schon die Konsequenz der eigenen Gedanken so ungemütlich ist, dass“-

„Hör auf, dich zu verlagern“, sage ich. „Halt still. Dafür habe ich dich schließlich aufgeschrieben, damit ich dich später wieder betrachten kann. Du bist jetzt gefangen. Ich werde weiter über dich nachdenken. Das geht nicht, wenn du expandierst und Verbindungen zu allen vorhandenen oder eingebildeten Problemen ziehst, die ich sonst vielleicht noch habe.“

Wir schweigen. Ich lese den Text noch einmal.

Dann:
„Ich möchte singen“, sage ich. „Hörst du. Du weisst es ja, seit Jahren möchte ich das.
Aber dieses Wochenende habe ich in einem Gespräch gesagt bekommen, dass gesungenen Botschaften schon immer mehr Gewicht vermitteln sollten als gesprochene, weil die Musik etwas mit dem Unterbewusstsein macht. – Und ich habe wieder und wieder den Grund gesucht, warum es mir nicht gelingt, das Singen zu kultivieren, und am Ende soll es nun daran liegen, dass Singen die fortgeschrittene Version von Reden ist“, sage ich. „Wie soll ich mit dieser neuen Blockade einen Weg finden, zu singen. Wie soll ich ein Modell ersinnen, dass es mir ermöglicht das Singen zu einer Gewohnheit zu machen?“

„Vielleicht lässt du das Hindernis erstmal auf dich wirken, bevor du versuchst, dich im drüberspringen herauszufordern“, meldet sich eine sehr altkluge Stimme aus dem Hinterkopf zu Wort.

Ich wende mich von dem Problem ab, und gifte der neuen Nervensäge entgegen:
„Weisst du, dass „lösen“ auch heißen kann, sich von etwas zu lösen, also zurücklassen und weggehen“, sage ich zu der altklugen Stimme.

„Dann könntest du ja jetzt meine Fesseln lösen, und ich gehe einfach weg“, merkt das Problem an.

„Nix da, sage ich, nicht du haust wieder ab, sondern ich gehe, wenn ich mit dir fertig bin.“ „Hältst du das für gut“, fragt das Problem eindringlich. „Wäre es nicht besser, statt aus unserem Intermezzo eine neue Arbeitsaufgabe für dich zu ersinnen, lieber locker zu lassen?“

„Also, ihr meint, ich soll vor dem Hindernis einfach stehen bleiben und den Stift weglegen, mit dem ich das Problem umschreibe?“ Ich vermute, die beiden nicken. Genau kann ich das nicht sagen, aber das ist ja teil des….ach.

„Schon gut“, sage ich.
Ich denke an die Bilder, die ich wieder ansehen werde, denn das kann ich beim schreiben nicht tun. Ich empfinde, dass ich nun mit den Situationen versöhnter bin.

Ich sehe einen Kreis. Ich sehe ecken aus Beton. Ich sehe einen hässlichen Strand mit Häusern, so unpassend wie Eis essen und dabei Haare föhnen. Ich sehe das Museum vor mir, darin ein Bild mit Beton und lebendigem Licht darauf und dann erinnere ich eine warme Stimme, die auch dort war, irgendwann. Eine Stimme, die ich vermisse. Und ich erinnere eine stumme Person, die hinter mir am Strand entlang läuft, die Häuser wie riesige Nudeln in entfernter Sichtweite. Ich erinnere die Befangenheit ob des nichtvorhandenen Themas und der Ideen, die man nicht sagen darf, möchte sprechen, wollte eine Unterhaltung beginnen, die unmöglich. Und vermisse nicht.