Vom Sein dürfen. Teil 6

Die Mindset-Schubladen

Ich vermute, man kann Alles sein, aber schlecht zugleich.

Warum kann man nicht technisch- bildender Gestalter und noch etwas Anderes sein? – Wahrscheinlich, weil man die ganze Zeit ans Konzept denkt und es dann für sich selbst, den eigenen Bereich weiter entwickelt. Es geht um Ideen und es geht ums Denken.

Der Spieler denkt nicht, der Spieler ist und lässt los. Er muss loslassen und sich auf die Situation einlassen, was immer da kommt. Spielen ist Hingabe.

Gestalten ist Folgen und Führen zugleich. Der Gestalter lässt seine schönen Ideen fallen. Kill your Darlings, sagen wir.

Der Regisseur lässt seine eigenen Sorgen, seine ganz persönlichen Ansprüche und seine Genervtheit fallen. Es ist kein Platz dafür, wenn man für alle Anderen da sein muss.

Der Spieler dagegen muss die eigenen Sorgen spüren, weil er das verwenden muss. Immer im Moment sein und merken, „wie bin ich gerade drauf?“. Die aktuelle Stimmung als Anlass für das Spielen zu nehmen, ist Teil seiner Ausbildung.

Gehe ich aber als Spieler mit meinem eigenen Befinden in die Probenarbeit und bin im nächsten Moment auch noch Regie, dann müsste ich meine Stimmung dafür wegschieben.
Es passt einfach nicht zusammen.

Ich unterscheide insgesamt fünf am Inhalt einer Show arbeitende Bühnengewerke während dem Entstehungsprozess einer Produktion. Und zwar nicht nach Beruf, sondern nach Mindset:

• Die Performer, Darstellende, die lebendig sind und mit dem Publikum im Moment.
• Die Regie und jene Gestalter und Entwickler, die ganz direkt mit dem „Lebendmaterial“ einer Produktion zu tun haben: die auf der Probe zusammen mit den Spielern die Szenen erarbeiten. Kostüm, Stuntrigger, Puppenbauer oder besondere Coaches für Sport, Gesang oder Zaubertricks können teilweise im Mindset einer Regie agieren.
• Die Gestalter und Techniker, welche der Produktion zuarbeiten und sie real werden lassen.
• Die Aussenkommunikation, also das Marketing, die Dramaturgen und Eventmanager.
• Die Rechner, die disponieren, Pläne schreiben, Assistieren, dokumentieren, organisieren und kalkulieren.

In der neuen experimenta Heilbronn war ich in allen diesen Bereichen tätig und war irgendwann so überfordert, dass ich für mich die Unterteilung in Mindsets ausgearbeitet habe. So konnte ich meine Aufgaben gegeneinander abgrenzen, die Herausforderungen überschaubarer halten und mir vornehmen, an jedem Tag in maximal zwei Mindsets tätig zu sein.

Üblicherweise arbeitet eine Person vorrangig in einem Gewerk. Es gibt aber auch genügend, die im Rahmen ihrer Tätigkeit übergreifend tätig sind oder generell mehrere Tätigkeiten ausüben. Ich kenne genügend Kolleg*innen, die viele Aufgaben zugleich übernehmen. Der Schritt in die Selbstständigkeit oder die Eröffnung einer neuen Spielstätte sind mögliche Anlässe hierfür.
Aber ich kenne Niemanden, der alle fünf Bereiche gut abdecken kann. Man muss dazu sagen, dass es sehr unangenehm und anstrengend ist, innerhalb einer Produktion zwischen den Mindsets zu wechseln.