Vom Sein dürfen. Teil 2

Spieler. Das präsente Dasein im Auge

Als Spieler verpflichte ich mich im Moment zu sein. Dem Moment auf der Bühne und auf der Probe zu dienen. Offen zu sein für alles was passiert, komplett durchlässig zu sein für alle Forderungen.
Ich stelle mein gesamtes Repertoire, meine körperlichen, spielerischen Fähigkeiten vollumfänglich zur Verfügung ohne zu wissen, was passiert. Und ich stürze mich ins Neue, ich als Mensch, und nehme hin, dass ich in Situationen komme, dass mir Dinge passieren die ich noch nie erlebt habe und die mir als Person eigentlich nicht entsprechen.

Ich verpflichte mich, immer wieder frisches Interesse für das Gefragte aufzubringen: Den Text immer wieder neu zu betrachten, die Szene immer wieder neu. Um kreativ bleiben zu können. Das ist die Arbeit des Spielers.
Mir immer wieder neu hochzuholen, was mir die Regie gesagt hat.

Meine aktuelle Stimmung da mit einfließen zu lassen, jeden Tag.
Das ist ungefähr so wie der Versuch, sich immer wieder neu in den Partner zu verlieben. Wer das schonmal gemacht hat, weiss, dass das Arbeit ist: Wenn es einem nicht selber so einfach passiert, dass man halt spontan zugeneigt ist, sondern wenn man sich immer wieder sagen muss: was gibt es da noch?


Als Spieler bin ich verantwortlich für die Reproduzierbarkeit. Ich spiele eine Situation nicht in der Art, dass ich sie „vorspiele“ oder imitiere. Das Publikum merkt, wenn die Szene auf der Bühne nicht live entsteht, sondern vorgekaut wird. Ich werde als Spieler tatsächlich immer wieder neu erleben. Es muss mir passieren. Ich muss also meine Bereitschaft für die konkrete Spielsituation frisch halten und mich immer wieder neu damit beschäftigen.

Und zwar nicht so, wie ich es als Person vielleicht tun würde, sondern so, wie es eine Rolle tun würde. Ich begebe mich in eine Rolle hinein. Das ist meine Chance: Fehlt mir als Person vielleicht der Zugang zu einem Thema, kann ich ihn dennoch mithilfe meiner Rolle finden. Aber nur, wenn ich einen Charakter fein genug ausgearbeitet habe. Dafür braucht es selbstverständlich mehr als einen auswendig gelernten Text.

Ich verpflichte mich, zu glänzen, fit zu sein für das Publikum und immer in Bestform zu sein. Also immer, so gut es irgendwie möglich ist. Ich mag den Vergleich zum Wettbewerb, zum Sport nicht. Aber trotzdem immer das Bestmögliche rauszuholen: Körperlich. Stimmlich. Präsent zu sein.
Das ist die Verantwortung, die ich als Spieler trage.

Ich mache mich verletzbar, sehr, für die Kritik des Publikums, und bleibe trotzdem offen. Ich übernehme die Verantwortung dafür, dass ich das, was von mir gefordert wird, immer wieder neu reproduziere, und zwar unabhängig davon, ob ich ein Publikum habe, dem das gefällt oder nicht.

Das ist das, was der Spieler aushalten wird, nach der Premiere.
Der Spieler übernimmt die Verantwortung für das, was er da spielt, weil die Rolle auf den Spieler projiziert werden wird.

Der Spieler wird im Nachhinein für das Stück verantwortlich gemacht werden. Und der einzige, den er dann noch ansprechen kann, wenn irgendwas scheisse ist, ist die Regie.

Aber der Spieler steht an vorderster Front, auf ihn wird dann geschossen.