Vom Sein dürfen. Teil 3

Das umrahmende Auge an sich. Technisch-bildnerische Gestalter

In jeder Produktion gibt es noch ein weiteres Inhalt erschaffendes Mindset: Das der Gestalter und gestaltenden Techniker. Sie bilden den äußeren Rahmen, während ein Stück entsteht. Deshalb arbeiten sie in hohem Maße unterstützend.

Sie müssen anhand der Informationen, die sie nicht selten nur auf passende Nachfragen erhalten, und mit ihrer eigenen Analyse, Entscheidungen für die Show treffen. Sie erfinden die szenischen Randbedingungen und das äußere Gesamtbild einer Bühnenproduktion.

Sie werden all ihre eigenen Fähigkeiten und die zur Verfügung stehenden Mittel auf deren möglichen Einsatz überprüfen. Das ist der Anfang ihrer Arbeit. Aber kaum ein Stück entsteht aus bereits vorhandenen Fertigkeiten und nur mit dem Einsatz bereits bekannter Medien. Die Gestalter sind Experten ihres Fachs und werden prüfend, analysierend und recherchierend dem zuarbeiten, was sich andere als Produktion ausgedacht haben.

Selten bekommen sie genaue Arbeitsanweisungen, und fast nie erhalten sie von der Regie Aufträge zur direkten Ausführung, wie z.b. eine Wand rot einzufärben. Es mag trivial erscheinen, doch es ist mir sehr wichtig einmal herauszustellen, dass Regisseure, Darsteller oder Musiker viel zu selten ein Basiswissen von den Arbeitsschritten der Gestalter haben.* Es wird zumeist nur ein gewünschtes Ergebnis mitgeteilt, jedoch mit wenig konkreten Angaben, dass es ein Wunder ist, dass nicht jedes Konzert und jedes Theaterstück usw mittlerweile gleich aussieht und gleich abläuft.

*anders herum verhält es sich viel zu oft ähnlich – dass bildende und technische Gestalter nicht wissen, wie auf einer Probe gearbeitet wird. Diese Beitragsreihe soll etwas Licht ins Dunkel bringen.

Was tun die Gestalter also, um vom Auftrag eines vagen Endergebnisses (Licht machen. Ein Bühnenbild bauen.) zu einem Arbeitsablauf zu kommen, welcher die Show bestmöglich unterstützt?
Ein Vorgriff. Die richtige Reihenfolge aus künstlerischer und technischer Sicht lautet immer:

  1. Was möchten wir tun?
  2. Was braucht es dafür?

(Eine andere, nicht für Neuentwicklungen geeignete Herangehensweise, die nur wirtschaftlichen Sinn bringt, lautet:

  1. Was haben wir da?
  2. Wie können wir das für die Show einsetzen?
    Ich empfehle, zweitere Herangehensweise ausschließlich für Businessprojekte zu verwenden, aber niemals für künstlerische Entwicklungen. Das ist deshalb legitim, weil sich Businesskunden, wenn sie ein Produkt kaufen, ohnehin etwas wünschen, was sie bereits kennen. Möchten sie dagegen Neuentwicklungen unterstützen, werden sie Förderprojekte ausrufen, anstatt eine Produkt zu kaufen.)

Hinter „1. Was möchten wir tun“ verbergen sich viele für Gestalter notwendige Informationen: Was ist das Thema? Was ist die gewünschte Atmosphäre? Was ist die Zielgruppe und wieviele? Wer spielt, wo und wann wird es aufgeführt? Was ist die Arbeitsweise bis zur Premiere? In welchem Umfang und Rahmen und wie oft wird die Show gezeigt? Was ist der Anspruch hinsichtlich Nachhaltigkeit (a), Innovation(b), soziokultureller(c) und aktueller Gesellschaftlicher(d) Aspekte?

Ein paar Beispiele:
(A) Ökologische Wiederverwertbarkeit oder geplante Nutzung konkreter Mittel, z.b. noch in der Entwicklung befindliche Scheinwerfer, die als Leihgabe eingesetzt und gestestet werden müssen (Das tut das Festival Wacken)
(B) gewünschte Immersion, virtual reality, augmented reality, multimedia, transmedia, einsatz von trackingsystemen ?
(C) in welchem Umfang muss Inklusion und Teilhabe der Zielgruppe ermöglicht werden?
(D) Stichwort Corona und Terrorbedrohung und die sich daraus ergebenden Hygiene- und Sicherheitsaspekte

Die Gestalter müssen den meist von der Regie erhaltenen Arbeitsauftrag zunächst selber verfeinern. Immer im Sinne des Projektes, auf die Art die das Projekt braucht, zu der Zeit die das Projekt benötigt, in der Geschwindigkeit, die das Projekt fragt. So wird aus einem beauftragten gewünschten Ergebnis nach und nach eine Arbeitsanweisung für die Ausführung.

Je nach Größe der Show gibt es auch bildende und technische Gestalter, sie sich nicht mehr selbst an der Ausführung beteiligen. Das ist allerdings kein Maßstab für Professionalität, sondern richtet sich tatsächlich nur nach finanziellen und zeitlichen Randbedingungen und ob es eine regional, national oder international spielende Show ist. Zudem gibt es auch gestalterische Gewerke, die so besonders sind, dass dafür kein Personal existiert, welches die Ausführung übernehmen könnte.

Ein Gestalter plant die Ausführung seines Auftrags, und das hängt direkt zusammen mit der Frage: „Was braucht es dafür?“ Ein Gestalter verpflichtet sich, innerhalb seines Fachbereiches up to date zu sein. Sich kontinuierlich fortzubilden und im Blick zu behalten, welche Neuentwicklungen es in dem Bereich gibt. Aber auch, woher man einzelne Medien bekommt, welche Dienstleister in der Nähe bei der Ausführung behilflich sein können und mit welchen Kontakten man gut zusammenarbeiten kann, um notwendige Prüfungen durchzuführen, wie solche zum Brandschutz.

Ähnlich wie ein Darsteller verpflichtet ist, sein Ausdrucks-und wahrnehmungsfähigkeiten stetig zu erhalten, zu verfeinern und zu erweitern, und wie eine Regie verpflichtet ist, sich genau darüber bewusst zu sein, was ihre Ansagen und Konzepte in der Praxis bedeuten, was alle Beteiligten leisten, und für sie da zu sein, irgendwo „Eltern“ zu sein…

…so ist der bildende und technische Gestalter verpflichtet zu Netzwerken und sich fortzubilden.

Um die Anfragen zu lösen, die das Projekt stellt. Um gut darauf eingehen zu können, um gute Vorschläge machen zu können.

Gestalter müssen auch eigentlich immer mit Gestaltern anderer Gewerke zusammenarbeiten, nicht nur mit der Regie.
Sich gegenseitig Zuarbeiten. Man verpflichtet sich, eigene tolle Ideen nach hinten zu stellen um dem Projekt zu dienen.

Oder umzuplanen, weil vielleicht die Arbeitsabläufe von anderen Kollegen aus anderen Gewerken da halt nicht dazu passen. Oder weil das Geld nicht da ist.
Das heißt, man macht auch gleichzeitig immer Abstriche, wenn man Gestalter ist. Es gibt nie das eine, große Projekt wo man sich vollumfänglich austoben kann. Ich betone das, weil es ein häufiger Vorwurf gegenüber gestaltenden Gewerken ist:

Sie würden wie mit großen Augen im Spielzeugladen Arbeitsmittel auswählen, die komplett unnötig oder überdimensioniert sind, nur weil sie etwas Neues ausprobieren wollen oder etwas einsetzen möchten, mit dem sie vor Kollegen angeben können. Natürlich gibt es derartige schwarze Schafe, doch sind das Kollegen, die ihre Aufgabe nicht wahrnehmen, und das gibt es auch unter Darstellen, Regisseuren… das ist ein weiterer Grund, hier in den Beiträgen die verschiedenen Verantwortungen einmal konkret zu benennen.

Es ist ganz natürlich, dass der Rahmen, die äußeren Randbedingungen eines Projektes, die seine Aufführung vor Publikum erst ermöglichen, immer ein vergleichsweise großer Kostenpunkt ist. Auch klar ist, dass jedes Medium und jede Fertigkeit, die nicht „sowieso vorrätig“ sind und für das Projekt eingesetzt werden, die Kosten stark nach oben treiben. Dass es aber künstlerisch unbedingt notwendig ist, sich nicht nur „aus dem Fundus“ zu bedienen, habe ich weiter oben im Text erwähnt.

Als Beispiel für eine Arbeit im Mindset des bildnerischen Gestalters könnt ihr hier ein Puppenbau-Making off lesen:
Chicken behind the Scene
Für Beispiele im Mindset der technischen Gestaltung folgen demnächst Beiträge zu Lichtkonzepten und Timecoding-Lösungen.