Woher Kraft?

Ein persönlicher Text über intrinsische Motivation

2022 endet als Abschluss

Ich bin seit Wochen krank, schlafe, esse alles was gesund ist und hänge im Bett herum. Statt draußen lebe ich jetzt bei Freunden und kann nicht tun, was ich sonst alltäglich tue. Was mir helfen würde, glücklich zu sein, geht nicht.

Es ist frustrierend, also fange ich an zu schreiben. Viele unabgeschlossene Notizen aus der Heilbronner Zeit und davor warten in Ordnern – Sie sind geeignet, zum Beitrag ausgearbeitet zu werden. Ein Projekt umzusetzen oder einen Text fertig zu stellen löst meine Gedanken von der Thematik.

Was da unabgeschlossen in meinen Kopf immer wieder hervorbricht erscheint mir, als hätte ich es nie ausreichend getan, nur weil ich mich anschließend sofort im Nächsten verausgabt habe. Und doch bezeugen tausende Erfahrungen und Details: ich habs gemacht.
Die letzten 13 Jahre bis Mitte 2022 sind wie gelebtes Jump n`Run. Zeitdruck, riesige Wechsel, unzählige Eindrücke, wenn-dann-Verpflichtungen.

Im Rigging bin ich zur Ruhe gekommen, weil ich so neu war und unfähig, selbstständig zu arbeiten. Man kann meinen Einstieg nicht als „quer“ bezeichnen. Eher gleicht er dem Auftritt aus einem asiatischen Film, wo das Neue von oben mitten in die Szene hineinfällt.

Nach 6 Monaten mit Helm und Seil ist deshalb „zurückblicken“ nicht unbedingt das, was mir schon naheliegt. Aber vielleicht, so denke ich auf meiner Liege mit Decke und einer Tasse Tee in der Hand:

Vielleicht hilft es, ein paar vergangene Türen zu schließen und der getanen Arbeit ihre Liebeserklärungen auszusprechen, die sie verdient, und ein paar Beitragsdenkmäler aufzurichten. Um frei zu sein und danach weiterzugehen, ohne mich noch im Altem beweisen zu müssen.

Deshalb schenke ich auch dem Neuen Jahr einen Text. Über das, was mich voranbringt und freue mich riesig darauf, bald wieder gesund zu sein, zu riggen und zu trainieren.

Woher Kraft ? Über intrinsische Motivation

Was mich am meisten inspiriert, ist das Beschäftigen mit meinem Körper. Das ist automatisch gekoppelt an Nachdenken über Formen, über bewegte Dinge, die man angucken kann,  über Theater, über  Formate, über Performance, übers singen und Liedtexte und Bilder gestalten. 

Zusammengefasst: Ich tanze, und vor meinem geistigen Auge entstehen Situationen und Kunst. Ich sehe das von außen.  

Tanzen und mittlerweile auch Sport sind mein Motor für Alles.

Es wird immer so sein, das ich mich am liebsten als Gestalter gegenüber der Gesellschaft im Denken ausprobiere und dabei schlussendlich Neues finde. Nicht weil ich unbedingt von Anderen als Gestalter wahrgenommen werden muss, sondern weil das mein intrinsischer Ansatz ist, nachzudenken, über das was passiert.

Ich lese nicht Zeitung und denke an direkte Lösungen oder habe Ideen aufgrund politischer Diskussionen, sowas. Erst in der gestalterischen Auseinandersetzung finde ich meinen Zugang.

Ich muss es künstlerisch umformen und mich dem gegenüber setzen, mit meinem Instrumentarium agieren und mich selbst als Instrument einsetzen. In diesem Vorgehen liegt für mich der Schlüssel zu meiner weiteren Entwicklung, um für den Moment glücklich zu sein, in die Zukunft zu blicken,  voller Hoffnung zu sein, so etwas. 

Ich freu mich, wenn ich in solch einem mit Tanz beginnenden Ideenflow bin. Ich freu mich so sehr auf den Moment, wenn ich spaeter auftrete. Oder ein neues Format, dass mir dann in dem Moment einfaellt, fesselt mich derartig, dass ich auf einmal sehr motiviert bin und total dafür brenne. Ich habe konkrete Teilgedanken und schreibe sie auf.

Die meisten solcher Einfaelle versauern als einzelne Notiz. Aber es kommt nicht selten vor, dass ich in meiner Notizensammlung Altes wieder entdecke und doch nutze.
Wenn ich gerade an Projekten arbeite, passiert es, das ich plötzlich solche Fragmente, Ergebnisse aus vergangenen Inspirationsmomenten hervor krame und Schaetze finde, die eigentlich gar nicht dafür gedacht waren in das aktuelle Projekt eingearbeitet zu werden. Die aber dann doch irgendwie gut passen und ganz frischen Wind hinein bringen. Das ergibt sich, weil es Ideen sind, die eine hohe Relevanz fuer mich haben.

Und es macht mir auch einfach Spaß mich zu bewegen. Rumzutanzen und mich mit meinem Körper auszubreiten, meinen Vibe in den Raum zu schmeißen und dann dabei Bilder zu sehen. Ideen zu haben. Ideen für meine Zukunft.

Und der Spaß der dabei entsteht, ist der gleiche Spaß, der gleiche flow, den ich auch habe, wenn ich mit diesen entstandenen Ideen weiter gehe und sie verwirkliche. Wenn ich ganz genau hinschaue, was da dran ist und immer tiefer einsteige. Manchmal fühlt sich das an wie jagen.

Eine Vision aus einer Bewegungssituation bleibt ziemlich lange erhalten.

Manchmal rutscht die reine, ursprüngliche Vision zwar aufgrund der vielen zu erledigenden Dinge in den Hintergrund.
Dann wird sich die spätere Umsetzung eher wie Abarbeiten anfühlen. Aber dann zieht mich zum Glück meist eine grobe Idee und die Neugier auf das Umgesetzte.

Was auch funktioniert, Wenn andere Leute beteiligt sind. Deren neue Ansätze befeuern den Prozess. Immer wenn wieder neue Teilaspekte aufflammen, bekomme ich einen Motivationsschub.

Manchmal ist es auch echt schwer, dran zu bleiben an dem Abarbeiten.
Oder das, was zu tun ist, stellt sich unerwartet alles etwas heraus, was mir überhaupt nicht liegt.
So ging es mir mit dem Lernen für die Veranstaltungstechnik nur mit Buechern, Videos und Podcasts. Die Coronapandemie lies kein reales Ausprobieren zu.

Es war eine schwierige Aufgabe, mich einerseits dranzusetzen und (so habe ich es empfunden) mich durch diesen Haufen Mehl zu essen und andererseits immer wieder Motivation zu finden, das auszugleichen.

Zu versuchen, zwar der selbstgewaehlten Verpflichtung nachzukommen, aber auch dafür zu sorgen, dass die Tage an sich nicht total scheiße sind . Obwohl ich etwas tat, wogegen sich Vieles in mir sträubte.

Ich habe damals sehr viel getanzt und ueberall, meistens draussen. Es war meine ausgleichende Freiheit zum Buecherwaelzen am Schreibtisch.

Zu dem Tanzen muss ich uebrigens noch hinzufuegen, dass mir meine Ideen nicht schon immer einfach per Eingebung passiert sind. Ich habe im Studium Ansaetze fuer Bewegungsimprovisation gelernt. Damals erschien es mir viel zu langweilig. Ohne Koennen und ohne Leistungsanspruch zu tanzen, habe ich erst schaetzen gelernt, als ich es besser beherrscht habe. Es ist ein Ansatz, den Moment und die eigenen Gefuehle und den Raum unmittelbar einzubeziehen.

Hinzu kamen pro Woche vier bis fünf Stunden Feldenkrais. Ich hatte kaum Geduld dafuer. Im Kern stand das Fragen. Wie fuehle ich mich. Was passiert gerade. Was nehme ich wahr. Es ist ein ganz unmittelbares Abklopfen der Gegenwart mit den Sensoren des Koerpers. Ich habe es hier einmal ausfuehrlicher beschrieben. „Koerperarbeit“.

Da ich darüber hinaus wie andere Studenten viel über die Welt nachgedacht habe, animierte mich dieses koerperliche Reflektieren, immer wieder nachzufragen. Wie funktioniert eigentlich die Welt und warum ist dies und jenes so?
Und so kam ich vom Tanzen, was manch einer als sinnlosen Zeitvertreib erachten würde, zu aktuellen Einflüssen aus dem Leben, zu Wissenschaft und zu strukturierter Analyse und zwar auf ganz, in direktem Sinne, leichtfüßige Art. 

Mir wurde früher häufiger gesagt, dass ich so verkopft und festgefahren sei. Ich solle einfach loslassen, huebsch sorgenfrei drauflos leben und weniger Nachdenken und meine Erfahrungen beiseite lassen.

Aus Trotz habe ich irgendwann diesen Konter formuliert. Auch ich kann mit Leichtigkeit fliegen, ich muss dafuer nur erst hochspringen.

Und das Springen üben lohnt sich!

Zwar war das mit dem nicht denken sollen trotzdem ein guter Tipp, denn tatsaechlich. Wenn ich mir einmal ausgedacht habe, loszutanzen und meinen Koerper in den Raum stelle, dann denke ich nicht mehr.
Sondern ich bin.

Somit schliesst sich ein Kreis, denn ich habe damals durch die ungeliebten spirituellen Ansätze meines Studiums entdeckt, wie schade ich es finde, kaum naturwissenschaftliches und mathematisches Wissen zu haben.

Aber ich konnte mein Bildungsdefizit lange nicht aufholen, weil ich mir einfach nur Druck gemacht habe. Ich hab es nicht geschafft.

Aber als ich dann weiter ging mit dem von mir gewählten Beruf, in dem ich auch echt nicht alles toll fand was in der Arbeitsrealität gemacht wird, da hat es sich schleichend ergeben das ich doch mehr von den MINT-Disziplinen gelernt habe.
Und ich habe das Abitur nachgeholt, mich veranstaltungstechnisch Druckbetankt und bin heute ich eine ziemlich unerfahrene, aber fröhliche Riggerin. Meine unwahrscheinliche Entwicklung konnte erst passieren, als ich aufgehört habe mich auf den schnellsten, scheinbar naheliegendsten Weg zu begeben sondern meinem eigenen gefolgt bin. 

Der Eigene Weg hat immer viel mit Schwimmen gegen den Strom zu tun und da man das ziemlich oft tun muss, dauert halt Alles etwas lange.

Noch ein weiteres: So viele Leute sagen, man muss einfach machen.
Ich würde sagen, dieses einfach mal machen funktioniert für mich…

mit tanzen. Vermutlich ist es wichtig, die Sache für sich zu finden, die man „einfach mal machen“ kann und sich genau darin weiterzuentwickeln und darin zu leben. Denn was einem derart zugänglich ist, kann eben auch dabei helfen, ganz andere Dinge zu erreichen, als auf den ersten Blick nicht erkennbar war.

follow your flow and happy new year.